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Mein Freund Paul – ein Marktchef mit Herz

Posted on March 14 2016

Gestern war ich wieder bei ihm in Iserlohn. So, wie ich es fast monatlich tue, um das ein oder andere Schnäppchenangebot zu ergattern und Freunde wiederzusehen. Ganz klar: Die Discounter sind manchmal günstiger, aber bei Paul herrscht eine gute Atmosphäre. Man spürt diese positive Stimmung schon vor dem Ladeneingang. Oft stehen da junge Leute am Grill. Sie verdienen sich etwas dazu.

Diesmal habe ich mich vorher von Paul telefonisch beraten lassen. Ich war auf der Suche nach sehr gutem Schinken. Wenn man monatelang seinen Bratenaufschnitt selbst macht, verspürt man doch manchmal Sehnsucht nach anderem Brotbelag. Er empfahl mir Serrano-Schinken. Ich wollte ihn selbst schneiden, weil ich eine entsprechende Maschine habe. Paul winkte gleich ab: “So dünn wie bei meinen Leuten kriegst Du das nicht hin. Außerdem lasse ich dir jeweils 100g vakuumieren.“. Die Frage nach zusätzlichen Kosten brauchte ich gar nicht beenden. Das kostet bei Paul keinen Cent Aufpreis.

Gegen 13:30 Uhr befuhr ich seinen Laden und sah ihn gleich hinter dem Eingangsbereich in der Abteilung Obst und Gemüse. Er klönte mit Kunden. So, wie er es immer tut. Wenn er nicht in seinem Büro sitzt, betreibt er überzeugende Kundenaquise und Kundenpflege. Das hatte er damals in einem anderen Betrieb, in dem er angestellt war, erfolgreich so gemacht. Und man sieht, seine Kunden plaudern gerne mit ihm. Er ist nicht aufdringlich, sondern einfach nur nett. Meine Assistentinnen, die ihn bisher kennenlernen durften, sind begeistert von ihm.

Er sah mich, grüßte und meinte:“ Ich bin gleich bei Dir!“. Am Fleischstand sahen wir uns wieder. Es galt 5 x 100g Serrano-Schinken abzuholen. Paul bat die Thekenbedienung, ihm direkt mal eine Scheibe zu reichen und diese stopfte er mir in den Mund. Natürlich war das lecker; aber ich konnte nicht mehr sprechen, erst musste der Schinken den Schlund passieren. Wieder Herr meines Sprachvermögens fragte ich ihn nach „Kaisersülze“, einer Delikatesse in Pelle: Schieres Fleisch in Aspik. Natürlich verkaufe er auch diese Wurst, aber „Ich habe noch viel Besseres für Dich.“ Dabei deutete er auf einen Berg quadratischer, durchsichtiger Tafeln in der doppelten Höhe einer Schokoladentafel. „Da sind viel größere Fleischstücke drin.“. Da ich nicht genau sah, fragte ich vorsichtig nach einer Kostprobe. Er ließ den Mann an der Fleischtheke eine Lage öffnen und halbieren. Von der anderen Hälfte schob Paul mir nun einen Riegel zwischen die Zähne und ich war wieder einmal schachmatt. Auch andere Kunden an der Theke durften probieren. Ein wunderbarer Geschmack.

„Gib mir eine neue Lage und lege die angeschnittene dazu“, meinte ich zu Paul, „ich bezahle die natürlich auch.“. Gesagt, getan, der Thekenchef drückte meiner Assistentin Lina eine undurchsichtige Tüte mit der Ware in die Hand. Während der Weiterfahrt in Richtung Kasse stutzte sie: „Die haben die angeschnittene Packung nicht berechnet.“ So ist Paul und das macht mich manchmal nachdenklich. Ich weiß, er ist und fühlt sich als mein Freund und das zurecht. Zwischendurch traf ich ihn nochmal. Paul: „Ich sehe Dich gleich beim Kaffeetrinken!“. In der kleinen Cafeteria angekommen schimpfte ich etwas: „Paul, Du verdienst an mir doch keinen Cent! Das ärgert mich ein bisschen.“ Paul, ganz trocken: „Ich muss ja auch nicht immer an Dir verdienen!“

So ist er wirklich, mein Freund Paul. Er hat einen riesigen Freundeskreis, weil er ein riesiges Herz hat. Aber das nächste Mal schleiche ich mich wieder heimlich in seinen Laden, um nicht immer beschenkt zu werden :-). Ob es mir gelingt, ist fraglich, denn wie oft hat seine Frau Birgit mir plötzlich von hinten auf die Schulter geklopft: „Hallo Helmchen!“ Beide, Birgit und Paul, waren und sind schon immer Menschen mit Herz.

1974 lernte ich ihn kennen. Damals war er zwölf Jahre alt. Ich stand in der Jugend- und Freizeitarbeit und suchte ständig nach auswärtigen Helferinnen und Helfern zur Begleitung unserer behinderten Männer und Frauen bei Freizeitaktivitäten. Paul, seine Familie und sein Freundeskreis waren stets bereit. Ohne die große Schar der Helfer hätte ich diese Arbeit gar nicht machen können.

https://www.xing.com/profile/Paul_Nowak

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